Die neuen S1P-Modulatoren - MS-Docblog (2024)

Die neuen S1P-Modulatoren - MS-Docblog (1)

2. Dezember 2019 Prof. Dr. med. Mathias Mäurer Therapie der MS

Neben den Studiendaten von Ofatumumab, über die ich bereits berichtet hatte (s. DocBlog-Beitrag vom September 2019) wurde auf dem ECTRIMS 2019 in Stockholm noch ein weiteres neues Studienprogramm vorgestellt. Es handelt sich um die sogenannte OPTIMUM Studie, die die Wirkung des neuen Wirkstoffs Ponesimod gegen den aktiven Komperator Teriflunomid (Aubagio) getestet hat. Ponesimod gehört wie Fingolimod (Gilenya) und Siponimod (Mayzent) zur Gruppe der S1P (Spingosin 1 Phosphat) Modulatoren. Der S1P Rezeptor wird von aktivierten Entzündungszellen benötigt, um aus den sekundär lymphatischen Organen (z.B. Lymphknoten) in den Blutstrom zu gelangen und im Gehirn eine Entzündung hervorzurufen. Die Einnahme führt somit zu einer verminderten ZNS Entzündung und effizienten Kontrolle von aktiven MS Verläufen.

Im Gegensatz zu Fingolimod (Gilenya), das noch an verschiedene Untergruppen des S1P-Rezeptors bindet und dadurch ein relativ breites Spektrum an Nebenwirkungen hervorrufen kann, binden die neueren Substanzen relativ spezifisch an den S1P1-Rezeptor, der vorwiegend auf der Oberfläche von Entzündungszellen zu finden ist (und die immunmodulatorische Wirkung begründet). Die neuen Wirkstoffe der Substanzgruppe der S1P-Modulatoren gelten daher als besser verträglich.

In die o.g. OPTIMUM Studie wurden mehr als 1000 Patienten eingeschlossen und über 108 Wochen entweder mit der neuen Substanz Ponesimod oder mit dem etablierten oralen MS Medikament Teriflunomid (Aubagio) behandelt. Ponesimod war der Behandlung mit Teriflunomid in Bezug auf die jährliche Schubrate und die MRT-Aktivität signifikant überlegen. Bei der Beeinflussung der Behinderungsprogression zeigte sich aber kein Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen. Beide Substanzen waren gut verträglich, ein Unterschied in den Abbruchraten ergab sich nicht, auch hinsichtlich Nebenwirkungen und schwerwiegenden Nebenwirkungen zeigte sich kein Unterschied zwischen den beiden Substanzen. Die Studie bestätigte somit nicht nur die gute antientzündliche Wirkung des S1P-Modulators Ponesimod, sondern auch die gute Verträglichkeit der Substanz. Insbesondere die im Zusammenhang mit Fingolimod diskutierten Bradykardien und Herzrhythmusstörungen stellten in der aktuellen Studie kein Problem dar.

Die OPTIMUM-Studie ist damit eine weitere Studie, die die Wertigkeit der neueren S1P-Modulatoren belegt. Vor kurzem wurden die Ergebnisse zweier Phase-III-Zulassungsstudien (SUNBEAM und RADIANCE) zur Wirkung von Ozanimod bei schubförmiger MS in der Fachzeitschrift Lancet Neurology veröffentlicht (Comi G et al. Safety and efficacy of ozanimod versus interferon beta-1a in relapsing multiple sclerosis (SUNBEAM): a multicentre, randomised, minimum 12-month, phase 3 trial. Lancet Neurol. 2019 Nov;18(11):1009-1020 und Cohen et al. Safety and efficacy of ozanimod versus interferon beta-1a in relapsing multiple sclerosis (RADIANCE): a multicentre, randomised, 24-month, phase 3 trial. Lancet Neurol. 2019 Nov;18(11):1021-1033).

Ja – richtig geraten, angesichts des charakteristischen Namens der Substanz handelt es sich auch hierbei um einen S1P-Modulator – und ebenfalls um einen S1P-Modulator mit einer hohen Spezifität für die Untergruppe der S1P1-Rezeptoren. Ozanimod wurde in zwei unterschiedlichen Dosierungen gegen Interferon-beta 1a intramuskulär (Avonex) getestet. Auch hier zeigte sich die neue Substanz dem etablierten MS-Medikament im Hinblick auf die Reduktion der jährlichen Schubrate und der MRT-Aktivität überlegen. Die Behinderungsprogression hingegen unterschied sich zwischen den Behandlungsgruppen nicht. Erfreulicherweise waren auch in diesen Studien die Nebenwirkungen zwischen den Untersuchungsgruppen vergleichbar, sodass dieses Studienprogramm die gute Verträglichkeit des neuen S1P-Modulators unterstützt.

Es ist zu erwarten, dass Ozanimod, welches sich derzeit im Zulassungsverfahren befindet, 2020 eine Zulassung für die Behandlung der schubförmigen MS erhalten wird. Die Zulassung von Ponesimod, dessen Ergebnisse jetzt erstmals auf dem ECTRIMS 2019 vorgestellt wurden, wird wohl folgen.

Im Gegensatz zur Vorläufersubstanz Fingolimod, das aufgrund seiner Historie eher bei aktiveren MS-Verläufen eingesetzt wird, dürften sich die neueren S1P-Modulatoren wohl eher im Bereich der Erstlinientherapie etablieren. Ich halte das durchaus für eine gute Nachricht, denn eine bessere Wirksamkeit bei gleicher Verträglichkeit ist in diesem Segment durchaus zu befürworten. Auf der anderen Seite muss man aber auch der Euphorie etwas entgegentreten, denn ein wirklich neues Konzept wird durch die Studien nicht eingeführt – es ist eher (sorry für die Analogie zur Autoindustrie) ein „Facelift“ eines bekannten Modells.

Die neuen S1P-Modulatoren - MS-Docblog (2) Die neuen S1P-Modulatoren - MS-Docblog (3)

Neuste Beiträge

  • Update Radiologisch isoliertes Syndrom (RIS)
  • Ernährung und MS: was hat es mit dem Weizen a…
  • Todesfälle im Zusammenhang mit Pregabalin
  • Tyruko® – das neue Natalizumab-Biosimil…
  • Streichung der Homöopathie als Kassenleistung

Beliebte Beiträge

  • Ernährung und MS: was hat es mit dem Weizen auf sich?
  • Exopulse Mollii Suit – so nicht …
  • Nebenwirkungen von Tecfidera – ein kleiner Exkurs
  • Todesfälle im Zusammenhang mit Pregabalin
  • Lokalisation von Hirnläsionen

Archive

  • Beiträge aus 2024
  • Beiträge aus 2023
  • Beiträge aus 2022
  • Beiträge aus 2021
  • Beiträge aus 2020
  • Beiträge aus 2019
  • Beiträge aus 2018
  • Beiträge aus 2017
  • Beiträge aus 2016
  • Beiträge aus 2015

Kategorien

  • Allgemein (192)
  • Alltag und Beruf (3)
  • Autoren (2)
  • Diagnose MS (17)
  • Komplementärmedizin (4)
  • MS-Symptome (20)
  • Therapie der MS (93)

Schlagworte

3. Impfung Alemtuzumab Antikörper Autoimmunerkrankung B-Zell-Depletion B-Zellen Blutbild chronisch progredient Cladribin Corona Covid-19 Dimethylfumarat Ernährung Eskalationstherapie Fatigue Fingolimod Immunsystem Impfung JC Virus Kortison Lymphozyten Medikamente MRT MS-Therapie MS-Therapien Natalizumab Nebenwirkungen Ocrelizumab Ofatumumab Pandemie Placebo PML PPMS progrediente MS Schub schubförmig Schwangerschaft Siponimod SPMS Sport Studie Studien Symptome Therapie Totimpfstoff

  • Beitrags-Feed (RSS)

Links

FOLGEN SIE UNS

Die neuen S1P-Modulatoren - MS-Docblog (14) Die neuen S1P-Modulatoren - MS-Docblog (15)Die neuen S1P-Modulatoren - MS-Docblog (16)Die neuen S1P-Modulatoren - MS-Docblog (17)Die neuen S1P-Modulatoren - MS-Docblog (18)

Der Experte

Unser Experte und Blog-Autor Prof. Dr. med. Mathias Mäurer ist Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation am Klinikum Würzburg-Mitte, Standort Juliusspital sowie außerplanmäßiger Professor der Universität Erlangen.
Er habilitierte sich im Jahr 2004 mit einer Arbeit über die „Bedeutung und Interaktion von Immunzellen bei hereditären demyelinisierenden Erkrankungen des peripheren Nervensystems“.
Seit 2011 ist Prof. Mäurer Mitglied des Ärztlichen Beirates der AMSEL und schreibt seit 2015 für den MS DocBlog.

Die Themen

Der ms-docblog behandelt ein großes Spektrum an medizinischen Themen rund um die MS wie zum Beispiel:

  • Berichte von der ECTRIMS
  • Diagnose
  • Ernährung
  • Immunsystem
  • Impfungen
  • Lumbalpunktion
  • MRT
  • MS-Therapien
  • Neue Medikamente
  • Neue Studien
  • Schwangerschaft und MS
  • Sexualität und Kinderwunsch
  • Sport und MS
  • Symptome
  • Therapie-Leitlinien
  • Verläufe
  • Vitamin D

Die Community

Ihre Meinung ist uns wichtig und soll im ms-docblog seinen Widerhall finden. Sie als Leser oder Leserin des ms-docblogs haben bei jedem Artikel über eine Kommentarfunktion die Möglichkeit, Anmerkungen zu hinterlassen oder weiterführende Fragen zu stellen. Gibt es Kommentare mit genereller oder wiederholter Fragestellung, erhält Prof. Mäurer diese und macht daraus gegebenenfalls einen eigenen Beitrag.

Die neuen S1P-Modulatoren - MS-Docblog (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Pres. Carey Rath

Last Updated:

Views: 6558

Rating: 4 / 5 (41 voted)

Reviews: 80% of readers found this page helpful

Author information

Name: Pres. Carey Rath

Birthday: 1997-03-06

Address: 14955 Ledner Trail, East Rodrickfort, NE 85127-8369

Phone: +18682428114917

Job: National Technology Representative

Hobby: Sand art, Drama, Web surfing, Cycling, Brazilian jiu-jitsu, Leather crafting, Creative writing

Introduction: My name is Pres. Carey Rath, I am a faithful, funny, vast, joyous, lively, brave, glamorous person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.